Artikel
übersetzt und bearbeitet von Marco Römer. |
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Hallo und
willkommen, lieber Leser,
Im Folgenden findest du eine kurze Beschreibung von einigen
Problemen und Herausforderungen, von Höhen und Tiefen und
von herrlichen Erinnerungen an die Orte, durch die ich
gereist bin, und an die Menschen, die ich auf meiner Tour
kürzlich getroffen habe.
Während dieser Tour habe ich mindestens 31.124 Kilometer mit
dem Fahrrad zurückgelegt. Ich sage „mindestens“, da ich
leider oft vergessen habe, meinen Fahrradcomputer in seinen
Halter zu stecken und auch gelegentlich die Magnete lose
waren und daher nicht all die Kilometer erfassen konnten,
die ich auf der Straße sammelte. Auf meiner Tour bereiste
ich 18 Länder inklusive Hongkong und erklomm alleine durch
Muskelkraft eine maximale Höhe von 2575 Metern über dem
Meeresspiegel. Ich verbrachte insgesamt 389 Tage auf der
Straße. Ebenso nahm ich mir die Zeit und ruhte mich 125 Tage
an Orten, die mir gefielen aus, oder musste pausieren, um
auf Visa zu warten. Ich traf reiche und arme Menschen,
besuchte wunderschöne und hässliche Städte, bekam einen
Geschmack der Länder, durch die ich gefahren bin, und traf
wundervolle und interessante Charakter auf meiner Reise. Es
gelang mir viele Pläne, die ich von Beginn hatte, zu
verwirklichen, aber es gab auch welche, die ich nicht
verwirklichen konnte.
Die wahrscheinlich schwierigste Entscheidung war eine
300-Kilometer-Etappe von China nach Hongkong aufzugeben,
weil ich mir nach einem Unfall das Handgelenk verletzt hatte.
Ich war gezwungen den Bus zu nehmen, da Röntgenaufnahmen
zeigten, dass ich einen Knochen meines Handgelenkes
beschädigt hatte. Leider konnte ich nicht weiterfahren … und
so musste ich eben den Bus nach Hongkong nehmen. Während ich
mit einem kaputten Fahrrad, einer eingegipsten Hand sowie
einem aufgeschürften und geprellten Arm ein wenig ramponiert
und mit einer leichten Gehirnerschütterung im Bus saß,
bedauerte ich sehr, dass ich nicht mit dem Fahrrad
weiterfahren konnte. Wie auch immer, wie sich herausstellen
sollte, brachte mir dieses bisschen Pech letztendlich auch
einiges Glück. Ich kam in Hongkong an, zwei Tage früher als
geplant, und konnte einige Tage und Nächte damit verbringen,
die Stadt zu erkunden und gelegentlich für einen
wohlverdienten, dunklen kühlen Guinness vom Fass anzuhalten.
Diese Zeit, in der ich mich von meinen Verletzungen
rehabilitierte, gab mir ebenso reichlich Zeit, mein Fahrrad
zu reparieren. Und das Glück hörte dort nicht auf … Einige
Tage vor meiner ursprünglich geplanten Ankunft in Hongkong
hatte ein heftiger Taifun die Region getroffen. Ich kenne
nicht die Stärke des Taifuns auf der Skala, aber Bäume
wurden wie Äste ab-, Werbetafeln und Dächer wurden
heruntergerissen und das Wetter war stürmisch, mit
sinnflutartigem Regen; es donnerte und blitzte. Das Meer war
so aufbrausend, dass der Schiffsverkehr angehalten wurde.
Als ich erkannte, dass ich, bevor ich in derselben Nacht in
Hongkong angekommen bin, nach meinem ursprünglichen und „unfallfreien“
Plan am Berggipfel campieren wollte, realisierte ich, dass
ich zwei Tage mit starkem Gegenwind und (was das Pedalieren
des Öfteren härter mach) strömenden Regen zu kämpfen gehabt
hätte und dass ich die Nacht unter Bäumen hätte verbringen
müssen, während der Taifun um mich herum geheult hätte. Der
schwere Angriff des Windes hätte mein Zelt zweifellos –
gelinde gesagt – in Mitleidenschaft gezogen. Also, als ich
über dies nachdachte, war ich erleichtert und froh, bereits
in Hongkong angekommen und aus der Gefahrenzone zu sein.
Diese Art des Glückes traf mich einige Male auf meiner Tour.
Ich hatte im Allgemeinen oft Glück auf meiner Reise mit den
Menschen, die ich getroffen habe, mit der wundervollen Natur,
die ich gesehen habe und mit dem Wetter, mit den
Erinnerungen, die ich jetzt habe, aber auch in vielen
anderen verschiedenen Arten.
Einige Monate zuvor, als ich durch die Wüste Gobi in der
Mongolei geradelt bin, geriet ich in einen starken Sandsturm.
Weil es in der Wüste an Dingen fehlt, die man ansehen könnte,
und wegen der kargen Landschaft habe ich mich nicht
umgesehen. Ich bin einfach nach Süden Richtung China
gefahren und habe geradeaus geschaut. Nacht etwa sieben
Stunden im Sattel, blickte ich hinter mich und sah eine
riesige Sandwand, die mich schnell einholte. Die Sandwand
erinnerte mich an einen Tsunami, in Anbetracht dessen, dass
sie über 200 Meter hoch war. Eines meiner größten
Lebensziele war es gewesen, einen richtigen Sandsturm zu
erleben und plötzlich war einer da, direkt hinter mir. Wenn
man alleine in einer Wüste ist, ohne jede Unterstützung, mit
einem Sandsturm, der auf einen herabdrängt, dann hat man mit
einer Reihe von Problemen zu kämpfen. Das erste war, dass
ich erst zwei Tage in der Wüste war und dass ich weitere
fünf Tage geplant hatte, im Nirgendwo zu sein, ohne Versteck
oder Schutz. Ich hatte nur für zwei Tage Wasservorräte,
Essen für einen halben Tag und kein GPS-Gerät, um meine
derzeitige Position abzulesen. Von dem Wenigen, was ich über
Sandstürme wusste, wusste ich, dass ich es noch mit
ernsteren Problemen zu tun bekommen würde. Solche Sandstürme
können sich bis zu zwei Wochen aufrechterhalten und es ist
bekannt, dass sie Menschenleben fordern. Der wahrscheinlich
berühmteste Fall war der, als Archäologen einen
vollständigen Arm eines Soldaten fanden, der unter dem
Wüstensand begraben worden war. Nachforschungen ergaben,
dass alle Männer, und es waren Hunderte, in einem Sandsturm
an Trinkwassermangel gestorben sind. Sie gingen offenbar in
der Wüste verloren, sie gelangten desorientiert in einen
Sandsturm und es ging ihnen das Trinkwasser aus. Ein hartes
Schicksal, und als ich mich daran erinnerte, dass diese
Soldaten nicht alleine gewesen waren und Wasservorräte für
viele Tage hatten und dennoch zu einem solchen Ende gekommen
sind … Das Einzige, was mir einfiel, war die Richtung zu
ändern und daher wendete ich mich sofort nach links. Ich
wusste, dass östlich von meiner Position eine
Eisenbahnstrecke verlief. Diese Eisenbahnstrecke war einer
der Gründe, warum ich es wagte, mit dem Fahrrad durch die
Wüste Gobi zu fahren. Die Eisenbahnstrecke führt durch die
Wüste und war unbezahlbar, da ich wusste, wenn ich meine
Orientierung verlieren würde, während ich südwärts fahre,
dann würde ich nach Osten fahren können und sie finden. Ich
wollte es nicht riskieren in der Wüste zu stranden und einen
langsamen schmerzvollen Tod zu sterben, also wendete ich
mich, ohne einen weiteren Gedanken, nach Osten und radelte
so schnell ich konnte, bis ich sie erreicht hatte.
Es war fünf Minuten vor zwölf (am Nachmittag), als ich
endlich die Eisenbahnstrecke erreichte und der Sandsturm
fast bei mir war. Schnell sprang ich vom Fahrrad, beschwerte
mein Gepäck, packte das Zelt aus, stellte es auf und
befestigte es sicher. Ich war aber nicht mehr in der Lage
mein Fahrrad zu sichern, da der Wind in diesem Moment
stärker wurde. Überall war Sand und ich zog mich in mein
Zelt zurück. Der Sand der Wüste Gobi ist so fein, dass es
nötig ist, den Mund und die Nase mit einem Tuch zu schützten,
um normal atmen zu können, und eine Brille anzuziehen um die
Augen zu schützten. Glücklicherweise war ich sicher in
meinem Zelt und brauchte diesen Schutz nicht. Mein Zelt
hielt mehr aus, als ich erwartet hatte. Ich wusste, dass der
Wind stark werden würde und ich wurde nicht enttäuscht! Ich
hatte keinerlei professionelles Equipment auf meine Tour
mitgenommen, sondern vielmehr eine konventionelle
alltägliche Camping-Ausrüstung. Nachdem das Zelt in der
Wüste dem Sand und dem heftigen Wind zwei Stunden lang
standgehalten hatte, passierte das unvermeidliche: Das Zelt
stürzte zusammen. Es war ein ziemlich gutes Zelt, aber es
war für Regen, eine Wiese und normale Bedingungen entworfen
worden. Dies war ein extremes Ereignis. Anstatt auf einer
Wiese wurde das Zelt in Eile auf Stein aufgebaut, statt des
Regens musste es Sand aushalten und dazu den heftigsten
Wind, der durch eine offene kahle Wüste wehte. Zum Glück
hatte ich noch eine Fahrradabdeckplane, die ich um mich
wickelte und wartete, bis der Sandsturm vorbeigezogen war.
Aufgrund der Erschöpfung von den Tagen, die ich auf dem
Fahrrad verbracht hatte, schlief ich eingewickelt ein,
während der Sand um mich herum peitschte. Als ich am
nächsten Morgen aufwachte, hatte sich der Sturm gelegt und
ich war dankbar für die wundervolle Erfahrung und noch mehr
dankbar dafür, dass sie nur einen Tag lang andauerte. Bevor
ich weiterfahren konnte, musste ich meine ganze Ausrüstung
sauber machen und den Sand loswerden. Er war überall. Ebenso
musste ich mein Fahrrad auseinander bauen und die Zahnräder,
die Kette und andere notwendige Teile ölen. Das Ganze
kostete mich über dreieinhalb Stunden, was in der Wüste sehr
lange ist, weil ich viel Wasser durchs Schwitzen verlor. Ich
hatte auch kein Essen mehr, da ich das letzte zum Frühstück
verschlungen hatte und mir standen noch viele Kilometer auf
der Straße bevor. Aber dies ist eine andere Geschichte, die
ich nun nicht erzählen will, da du, wenn du willst, bald in
einem detaillierten Buch über die gesamte Tour lesen können
wirst, an dem ich momentan schreibe. Ich schreibe diesen
Artikel für dich, damit du einen Geschmack von meiner Reise
bekommst. Das Buch wird interessante Erfahrungen der Länder,
durch die ich gefahren bin, beinhalten, einschließlich eines
Kapitels über die Menschen und Charakter, die ich auf dem
Weg getroffen habe. Ich habe so viele wundervolle
Erfahrungen, dass ich nicht glaube, dass ich ihnen gerecht
werde, wenn ich sie alle nur in einen langen Artikel stopfe.
Als ich im Internet nach ähnlichen Touren suchte, schien es,
dass ich einzigartig bin und niemand jemals die gleiche
Reise wie ich unternommen hat und deshalb will ich nicht
alle Information in einem Artikel zusammenfassen. Menschen
sind bereits zuvor mit dem Fahrrad gereist und haben
verschiedene Reisen unternommen, durch eine Vielzahl von
Ländern und Kontinenten, aber sie haben Züge, Busse und LKW
benutzt um zu navigieren oder um durch besonders gefährliche
oder unwirtliche Regionen und Gebiete zu gelangen. Außerdem
sind sie normalerweise in einer Gruppe mit anderen Radlern
gefahren. Ich bin einzigartig in der Hinsicht, dass ich
alleine gefahren bin, ohne Sponsoren oder Hilfsfahrzeuge,
ich fuhr durch viele gefährliche und unwirtliche Gebiete (Sibirien,
die Wüste Gobi, die pakistanischen Berge, der Dschungel
etc.). Alles nur auf dem Fahrrad, alles selbst finanziert,
ich war immer auf mich selbst angewiesen, musste alles
alleine durchstehen, sowohl physisch als auch emotional.
Ebenso unternahm ich diese Tour ohne jede vorherige
Erfahrung mit langen Radtouren. In Anbetracht dessen
verdient diese Tour ein Buch, um meine Erfahrungen
vollständig auszumalen. Sobald es mir gelingt, einen
Verleger oder die Finanzierung eines Buches aufzutreiben,
würde ich mich freuen, wenn du über all meine Erfahrungen
liest, die guten und die schlechten, meiner Einjahrestour.
Es sind viele und es fühlt sich an, als hätte ich 50 Leben
erlebt, wenn ich mich an all die Abenteuer erinnere, die ich
hatte. Ein neuer Tag brachte immer verschiedene Erfahrungen
und Erinnerungen mit sich, über die ich nun so froh bin.
Dieser Artikel ist nur eine Sammlung einiger Geschichten und
Fakten, die Menschen am meisten hören wollten und nach denen
ich am häufigsten gefragt wurde. Zum Beispiel, was der
beachtlichste Anstieg der Tour war, die schönste und
schlimmste Erfahrung, die schönsten Orte, die ich besucht
habe, oder was mein persönlicher Tagekilometer-Rekord war.
Tatsächlich sind es zwei Rekorde, von denen ich dir erzählen
will; die Rekorde für die wenigsten und die meisten
Kilometer, die ich an einem Tag gefahren bin. Der Rekord für
die wenigsten Tageskilometer war nur 17 Kilometer, in dem
anspruchsvollsten Gelände, durch das ich je gefahren bin.
Dies fand im Dschungel in Laos statt. Die Höhe über dem
Meeresspiegel betrug 1000 Meter und ich verbrachte den
gesamten Tag damit, mit dichtem Wald bewachsene Berge hoch
und runter zu fahren, in brennender Hitze, ohne Essen und
Wasser. An der vietnamesisch-laotischen Grenze konnte ich
kein Geld wechseln und daher musste ich von dem Wasser und
Essen leben, dass ich noch aus Vietnam mit dabei hatte. In
den wenigen Dörfern, die ich durchquert hatte, wurden keine
Dollars akzeptiert und daher musste ich Wasser aus den
Bergquellen trinken, wenn ich an ihnen vorbei fuhr. Nach
eineinhalb Tagen ohne Essen begann meine Kraft zu schwinden.
Nach meiner Karte war ich nur 20 Kilometer von einer
nahegelegenen Stadt entfernt, wo ich mein Geld wechseln,
meine Vorräte auffüllen und mich erholen konnte. Aber ich
konnte nicht bis dort warten. Ich war so erschöpft, dass ich
nach zwei Stunden auf dem Rad nur drei Kilometer
zurückgelegt hatte! Das Einzige, was ich noch schaffte, war
das Zelt aufzubauen und schlafen zu gehen. Das würde meinem
Körper die Möglichkeit geben, sich zu erholen, und mir neue
Energie für den nächsten Morgen verschaffen. Ich hatte keine
Chance zu schlafen, da es selbst in der Nacht extrem heiß
war und im Zelt war die Temperatur noch drei bis vier Grad
höher. Ich wachte früh auf und nach weiterer Anstrengung
erreichte ich endlich die Stadt Sam Nuea. Ich schaffte diese
17 Kilometer und ich war am Ende, ich konnte nicht weiter.
Ich wartete, bis die Bank öffnete, um Geld zu wechseln, und
genoss dann eine wohl verdiente energiegespickte Mahlzeit.
Als ich fertig war, fand ich ein kleines Hotel und
reservierte ein Zimmer mit Dusche und – noch wichtiger –
Ventilator und blieb dort über die nächsten drei Tage, da es
mir dort gefiel. Vollständig regeneriert und ausgeruht
konnte ich nun die nächste Etappe, zur Stadt Luang Prabang,
starten, um die fantastischen herabstürzenden Wasserfälle zu
besuchen, aber dies ist wieder eine andere Geschichte …
Auf der anderen Seite beträgt mein positiver Rekord 220
Kilometer am Tag. Dies gelang mir in der Türkei. Ich fuhr 14
Stunden und die Straße war ein Traum für einen Fahrradfahrer.
Es war ein gerader Weg mit gutem Asphalt, ohne Gegenwind,
der nur unwesentlich über Hügel führte. Ich schaffte es oft,
die 200-Kilometer-Marke auf meiner Tour zu knacken und in
manchen Fällen schaffte ich es an aufeinanderfolgenden Tagen
im selben Land. 400 Kilometer an zwei Tagen zurückzulegen
ist, wie du mir zustimmen wirst, keine schlechte Leistung.
Alleine mein Fahrrad wog ca. 15 Kilogramm, zuzüglich 50
Kilogramm Gepäck, Essen und Wasser. Das Gewicht meines
Fahrrads hing natürlich davon ab, wie viel Wasser und Essen
ich transportierte. Also musste ich 65 Kilogramm an Gepäck
und ebenso die 80 Kilogramm meines eigenen Gewichts nur mit
Pedalkraft befördern. Gleichzeitig 200 Kilometer am Tag
zurückzulegen ist meiner Meinung nach eine wirklich gute
Leistung. In vielen Fällen dachte ich, mein Tacho spielt
verrückt, aber meine Karten und die Wegweiser an der Straße
bestätigten die Distanzen, die ich gefahren bin, ebenso wie
viele Menschen, die ich am Wegesrand getroffen habe. An der
russisch-mongolischen Grenze traf ich drei Franzosen, die
auch mit dem Fahrrad reisten, und dank ihnen konnte ich die
Distanzen bestätigen und meinen Tacho für die nächste Etappe
einstellen. Dies geschah erneut, als ich Boštan in Indien
traf, wo ich wieder die Genauigkeit meines Fahrradcomputers
bestätigen konnte. Boštan war ein Mann aus Slowenien, der
auch eine ähnliche Tour auf dem Fahrrad gefahren ist, der
aber einige Länder ausgelassen hat, die ich durchquert habe.
Es war gut, unsere Ansichten von den verschiedenen Ländern,
die wir besucht hatten, und die diversen Probleme, mit denen
wir beide konfrontiert wurden, zu vergleichen. Wir fanden
heraus, dass wir viele Gemeinsamkeiten hatten, und es war
erstaunlich für uns, dass wir uns getroffen haben, weil wir
im selben Jahr eine ähnliche Route gewählt hatten. Ich bin
zwar früher und von einem anderen Ort aus losgefahren und
ich nahm alles etwas lockerer im Gegensatz zu ihm, aber es
war ein unglaublicher Zufall, dass wir uns über den Weg
liefen, als wir beide versuchten Visa in der iranischen
Botschaft in Delhi zu bekommen. Er fuhr mit ähnlichem Gepäck
und hatte ähnliche Ambitionen und daher nahm ich mir den Mut,
dass meine Ambition, die Tour zu Ende zu fahren, erreichbar
war und dass ich nicht der einzige „Verrückte“ auf der
Straße bin. Für Menschen, die involviert sind oder
Erfahrungen von großen Distanzen und Entfernungen von Reisen
gemacht haben, ist die Anzahl der Kilometer verständlich,
aber für andere sind die zurückgelegten Entfernungen
unglaublich.
Das Gleiche kann über meinen Bruder gesagt werden. Wir
vereinbarten, dass er, wenn ich in Ho-Chi-Minh in Vietnam
ankomme, von Schottland aus zu mir fliegt und mich mit dem
Fahrrad für einige Kilometer begleitet. An seinem ersten Tag
fuhr er ohne jegliches vorheriges Training 90 Kilometer. Am
Ende der Woche verzeichnete er seinen persönlichen Rekord
mit 158 Kilometern am Tag. Er hatte es schwer, da er sich
mit einem Fahrrad behaupten musste, da nicht so gut wie
meines war, und ich es mittlerweile gewohnt war, große
Distanzen zurückzulegen, aber er hat es trotzdem geschafft.
Dies ist umso mehr beachtlich, wenn man bedenkt, dass wir
nicht in Eile waren, keine Sorgen hatten und stoppten, wo
wir wollten, nur acht Stunden lang fuhren und dennoch 158
Tageskilometer erreichten. Am Ende hat mein Bruder 3500
Kilometer zurückgelegt, bevor wir zuletzt in Delhi einfuhren.
Ebenso gelang es uns zur thailändischen Insel Phuket zu
fahren und wir genossen einige fantastische Strände und
verwöhnten uns mit einem Mini-Urlaub. Jedoch zählte ich
diese Kilometer nicht in meine Tour, weil wir andere
Transportmittel verwendeten (Flugzeug, Zug, Tuk-Tuk, Bus,
Roller und Boote). Diese kurze Pause auf Phuket war noch
komplizierter, da ich unerwartet ein zweites Mal nach
Hongkong zurückkehrte. Ich hatte meinem Bruder von der
erstaunlichen Zeit, die ich in Hongkong gehabt hatte,
erzählt und daher lud er mich ein (und übernahm alle Kosten),
mit ihm für einige Tage nach Hongkong zurückzukehren, um
dann von dort wieder nach Phuket zu fliegen. Während der
Fahrt mit meinem Bruder hatten wir reichlich Freizeit um
Umwege zu fahren und viele weitere interessante Orte zu
besuchen. Dies steht im Einklang mit anderen unerlässlichen
Dingen, die ich auf meiner Tour ungewollt machen musste. Ich
hatte geplant, durch Myanmar und Bangladesch zu reisen, aber
es ist nicht möglich, durch Myanmar mit dem Rad zu fahren.
Man kann legal nur nach Myanmar hinein- und dann wieder
hinausfliegen. Wenn man nach Myanmar auf dem Boden einreisen
möchte, muss man seinen Ausweis an der Grenze zurücklassen
und innerhalb von 24 Stunden an denselben Ort, wo man
eingereist war, zurückkehren. Deswegen musste ich meine
geplante Route aufgeben und über Myanmar hinwegfliegen. Auch
überflog ich Bangladesch, da es nur 140 Kilometer bis zur
indischen Grenze waren und es deshalb nicht wert gewesen
wäre, die Strecke mit dem Fahrrad zu fahren. Das ärgerlose
Flugticket im Gegensatz zu den Komplikationen eines Visa und
einer Fremdwährung machten es ebenso leicht, Bangladesch
auszulassen. Ich wusste, dass Kalkutta annähernd gleich ist
wie Bangladesch, also flogen wir direkt von Bangkok
geradewegs nach Kalkutta. Aber dies ist eine andere
interessante Geschichte – über die du in meinem Buch über
die Tour lesen können wirst.
Um herauszufinden, wo für einen Fahrradfahrer wirklich die
Hölle auf Erden ist; welches Land nach meiner Erfahrung das
übelste war; warum China der Ort meiner innigsten
Erinnerungen wurde; warum Hongkong meine Erwartungen erfüllt
und sogar noch übertroffen hat; die Gründe, warum ich aus
den pakistanischen Bergen gezwungen wurde – 12 Kilometer von
der afghanischen Grenze entfernt und warum ich unfreiwillig
eine Nacht in Kandahar verbringen musste –; warum iranische
Behörden meinen Ausweis konfiszierten und mich zwangen, mit
einer Eskorte zu reisen; wie viele gute und anständige
Menschen mir in Russland, China, Pakistan, Vietnam, Rumänien
und in der Mongolei begegnet sind; warum ich einen Besuch in
Tunguska (eine russische Region), wo noch heute ein
unerklärliches Mysterium umhergeht, ausfallen lassen musste;
was ich bei Gelegenheit in Hongkong von einem alten Mann
lernte und wirklich nicht herausfinden wollte; warum ich ein
für 80 Personen ausgelegtes Halong-Bucht-Boot in Vietnam nur
für mich alleine mietete; warum ich innerhalb zweier Monate
22 Kilogramm verloren habe; wie viele Spielzeuge und Geld
ich Kindern und Menschen auf meiner Reise gab; wie ich mit
chinesischen und russischen Karten, oder welchen in
arabischer Schrift, navigierte und wie ich Wegweiser in
fremden Sprachen entzifferte; warum ich Artikel nur in
bestimmten Geschäften kaufen konnte; die Frustration an
verschiedenen Botschaften und Grenzüberschreitungen; was die
schwierigsten und einfachsten Teile meiner Tour waren und
warum ich sicherlich nach China und Pakistan zurückkehren
werde … diese und viele weitere Erfahrungen werden in einem
Buch dokumentiert werden, aber ich werde dir drei weitere
Geschichten von meinen Reisen schon jetzt erzählen…
Viele Menschen fragten mich, warum ich ein Foto von einem
Hund in der Slowakei machte und es zu meinem Album
hinzufügte. Das Foto ist eine Erinnerung an ein weiteres
bizarres Ereignis, das passierte, als ich gerade meine Reise
begonnen hatte. Während ich durch die Slowakei fuhr, traf
ich einen im Straßengraben unter Geäst liegenden Hund. Die
Slowakei hat einen beachtlichen Anteil an aggressiven und
gefährlichen Hunden, von denen mich viele während des
Fahrens genervt haben und ich war froh, dass wenigstens
dieser nicht angriff. Viele Hunde, die ich traf, sahen nett
und sanftmütig aus, bis ich ihnen näher kam; dann begannen
sie mich grundlos anzugreifen. Nach einigen Kilometern
kehrte ich um und zu der Stelle zurück, wo der Hund im
Graben lag. Es sah für mich aus, als wäre er vielleicht von
einem Auto angefahren worden und könnte verletzt sein. Dies
war aber nicht der Fall, denn als ich mich näherte, konnte
ich sehen, dass es ein junger Hund war, den zweifellos
jemand ausgesetzt hatte. Ich dachte dies wegen des
abgelegenen Gebietes; die nächsten Dörfer waren weit
entfernt. Auch begann der Hund zu knurren, als ich näher kam,
was mich vermuten ließ, dass er von seinem ehemaligen
Besitzer misshandelt worden war. Ich löste das Problem mit
einer Reihe von Tricks, zwei Keksen und einer Schale Wasser
– bald waren wir Freunde. Der junge Hund war sehr hungrig
und durstig und daher entschied ich mich, ihn mitzunehmen.
Ich band ihn an ein langes Seil und fuhr langsam, damit er
mithalten konnte. Das Mitführen dieses Hundes verursachte
aber Probleme, da ich wusste, dass die nächste große Stadt
mit meinem üblichen Tempo über eine Tagesreise entfernt war
und daher umso weiter weg, wenn ich weiterhin mit dem
Schneckentempo unterwegs war, mit dem ich mich mit dem Hund
fortbewegte. Abends campten wir beide und teilten uns die
Suppe. Am nächsten Tag kaufte ich in einem Laden ein paar
Dosen Hundefutter und bereitete ihm ein großes Hundefest.
Der Hund war sehr froh und liebevoll nach dem opulenten Mahl
von feinstem Gourmet-Hundefutter und -Wasser. In dem Land,
aus dem ich komme, gibt es Hundeschützer, aber
unglücklicherweise gibt es derer laut der lokalen
slowakischen Polizei in der Slowakei nur wenige und
überhaupt keine an dem Ort, an dem ich mich befand. Deshalb
übergab ich ihn der Polizei und diese versprachen, ihn in
das nächste Tierheim zu geben, wo hoffentlich für ihn
gesorgt wird. Es war traurig, ihn zu verlassen, aber ich
hätte ihn nicht mit über die Grenze nehmen können, ganz zu
schweigen von den Tausenden Kilometern, die ich noch fahren
musste. Ich hoffe, es geht ihm gut …
Die vorletzte Geschichte, von der ich dir erzählen will,
steht in Zusammenhang mit einem Traum, den ich hatte, als
ich noch ein Kind war. Als ich die Tour begann, habe ich
absichtlich einige Spielzeuge für arme Kinder eingepackt,
die ich auf meiner Reise treffen würde, damit ich ihnen eine
kleine Freude machen konnte. Geld hilft auf vielerlei Weise,
aber ein Spielzeug in der Hand eines Kindes ist etwas ganz
besonderes. Alle Eltern wissen das und nichts ist besser,
als ein Lächeln auf dem Gesicht eines Kindes. Ich habe noch
keine Kinder, aber jeder versteht die Freude, die ein
Geschenk oder Spielzeug einem Kind machen kann. Wenn Leute
mich nach meiner besten Erfahrung auf der Tour fragen, so
ist es schwer zu antworten, da es so viele waren, aber eine
meiner innigsten war, als ich durch die Mongolei gefahren
bin. Ich durchfuhr dort weit ausgedehnte Teile des Landes,
völlig abgelegen, isoliert und ergreifend schön. Die
Abgelegenheit der Landschaft in der Mongolei erinnerte mich
sehr an Sibirien in Russland, aber es war ein anderer
Maßstab. Nach einem sehr schwierigen Tag auf der Straße
passierte ich eine einsame Jurte (traditionelles
mongolisches mobiles Haus). Zwei mongolische Kinder waren
draußen am Spielen und als sich mich bemerkten erstarrten
sie – sie haben sie offensichtlich gefragt, wer ich bin, was
ich hier tat und auf was für einem seltsamen Apparat ich
reiste. Ich musste wie ein Alien ausgesehen haben, der
plötzlich durch ein wunderliches Phänomen direkt neben ihrer
Jurte erschienen war. Ich starrte ebenso zurück und fragte
mich, wie diese Kinder damit zufrieden sein können, hier in
dieser kargen Umgebung zu spielen – es gab keine Wiesen und
kein Wasser hier, nur die Wüste, soweit das Auge reichte.
Sengende Temperaturen, Stein und Sand und zweifelsohne
erwartet Menschen, die derartig in der Mongolei aufwachsen,
ein wirklich hartes Leben. Ich winkte den Jungen zu, damit
sie näher kommen, aber in manchen Ländern ist es schwierig
zu kommunizieren, selbst mit Handzeichen. Sie verstanden
mich wahrscheinlich nicht und daher machte ich einen Trick
auf meinem Fahrrad und in diesem Moment stürmten sie auf
mich los und versuchten mich einzuholen. Ich hielt an und
durchwühlte schnell meine Taschen, um ein paar Spielzeuge zu
finden – ich fand das letzte Bündel an Spielzeugtieren, das
ich hatte. Ich habe bereits verschiedene Beutel mit Autos
und Booten etc. auf meiner Reise verteilt. Die Kinder kamen
näher, waren aber immer noch ängstlich und kamen nicht ganz
zu mir heran, also warf ich die Spielzeugtiere zu ihnen. Als
sie den Beutel vom Boden aufhoben, blickten sie sich mit vor
Erstaunen weit geöffneten Augen an – welch unerwarteter
Schatz wurde ihnen gegeben? Sie strahlten vom einen Ohr zum
anderen und rannten dann zu ihrer Jurte zurück. In diesem
Moment konnte sie sich nicht um den Alien kümmern, der sich
einige Meter entfernt gegen sein Fahrrad lehnte, stattdessen
wollten sie nach Hause und ihren Beutel voller Geschenke
öffnen. Sie sahen glücklich aus und ich war genauso
glücklich, da ich mein letztes Spielzeugpaket losgeworden
bin und nun nur noch Geld übrig hatte. Dies war verbunden
mit meinem Kindheitstraum – einem Traum, den ich einmal
hatte, in dem ich etwas bekommen würde, nach dem ich nie
gefragt hatte und das mir einfach so gegeben worden wäre. In
meiner Kindheit träumte ich von Spielzeug, später dann davon,
im Lotto zu gewinnen und letztendlich dann davon, das zu
verstehen, was ich über das Leben wissen will. Als ich ein
gewisses Alter erreicht hatte, erkannte ich, dass es besser
war, zu geben als zu nehmen und dass Menschen in
verschiedenen Ländern, mit unterschiedlichen Hintergründen
und religiösen Ansichten, trotzdem ähnliche Perspektiven
haben. Ich predige keine Weisheiten und es gibt viele Dinge
über das Leben, die ich nicht weiß – ich bin nicht reich
genug, um Geld oder Güter wegzuwerfen, aber es ist
fantastisch zu sehen, wie sich kleine Freundlichkeiten lohen
und sehr hoch geschätzt werden. Jemandem Freude zu geben und
jemandes Wünsche zu erfüllen ist wundervoll und passiert,
wie ich denke, aus einem bestimmten Grund …
Die letzte Geschichte, die ich dir in diesem Artikel
erzählen will, begab sich während der Strecke durch den
Dschungel. Ich konnte etwas Geld sparen, hatte einen
erheblichen Teil der Reise hinter mir und reichlich
Erinnerungen und Erfahrungen, die in meinem Kopf
umherschwammen. Oft habe ich behinderte oder alte und
gebrechliche Menschen gesehen oder Kinder, die in
schwierigen Verhältnissen aufwachsen. Wo ich konnte,
versuchte ich ihnen – je nach Situation – mit Essen, Geld
oder Spielzeug zu helfen. Ich habe immer versucht dies zu
tun und nicht nur auf dieser Tour. Wie schon gesagt, ich bin
nicht reich und streng genommen bin ich im Vergleich zum
amerikanischen und europäischen Standard recht arm. Im
Vergleich zu den Bewohnern anderer Länder bin ich jedoch
sehr reich. Reich an Gesundheit, reich an Möglichkeiten,
Erfahrungen, Abenteuern, Wissen und reich an Zeit – in der
Hinsicht, dass ich es mir leisten konnte, nachdem ich
gespart habe, ein Jahr meines Lebens zu nehmen und um die
Welt zu reisen. Es gibt auf diesem Planeten jene, die sehr
arm sind und die ein hartes Leben haben, wie einige von uns
es sich nicht vorstellen können. Ich erfuhr dies viele Male
aus erster Hand und einmal sah ich einen Bauern in einem
besonderen Land, wo die Umstände sehr hart waren, wie er
seine Arbeit verließ und nach einem anstrengenden Tag
Handarbeit um neun Uhr abends nach Hause ging. Menschen, die
es nicht einfach haben, gibt es auf der ganzen Welt und die
Verhältnisse sind überall schrecklich, in Nordamerika,
Südamerika, Europa, Asien, Afrika, etc. Jeden Tag arbeiten,
sieben Tage die Woche, mindestens 16 Stunden pro Tag, ohne
Möglichkeit auf eine Pause und es sich nicht leisten zu
können, einmal krank zu werden. Dies ist eine schreckliche
Situation. Manche haben keinen Zugang zu Wasser, ganz zu
schweigen von sauberem hygienischem Wasser, welches Standard
für jeden in dieser sogenannten modernen Welt sein sollte,
in der wir leben. Menschen mühen sich ab, von der Geburt bis
zum Tod, unter horrenden Bedingungen und haben nichts
anderes. Dieser Bauer, den ich eben erwähnte, kletterte
geradewegs mit seinem Karren aus einem Tal heraus und musste
diesen nun bergauf schieben, mir entgegen. Es sollte sein
glücklicher Tag werden … ich hielt ihn an, und in Anbetracht
dessen, dass ich seine Sprache nicht konnte, lächelte ich
einfach, verbeugte mich und gab ihm etwas von dem Geld, dass
ich dabei hatte. Er beobachtete mich vorsichtig und dann
breitete sich ein riesiges Lächeln auf seinem Gesicht aus.
Gerade hat er die Lotterie gewonnen. Danach schüttelte ich
einfach seine Hand und fuhr weiter. Für ihn war es
sicherlich eine große Menge Geld, denn er kam aus einem
armen Land und mühte sich auf dem Acker ab, aber für mich
war es nicht viel meines Budgets. Man weiß nie, zu wem man
ins Leben stößt, der deine Ansichten und Vorurteile
verändern wird. Dies war die letzte Geschichte, die ich mit
dir teilen wollte und ich danke dir, dass du so weit gelesen
hast. Ich hoffe, dass du im Laufe deines Lebens auf diese
Website zurückkommen wirst und dass du in meinem Buch von
meinen gesamten Erinnerungen und Erfahrungen über die Reise
detailliert lesen wirst …
Abschließend würde ich dir gerne einen lustigen Vorfall
beschreiben, der auf der Reise passiert ist, auch wenn es
viele mehr dergleichen waren. Dies geschah in Sibirien in
Russland. Während der Sommermonate ist es sehr lange hell
und selbst um elf Uhr nachts ist dort immer noch ausreichend
Licht. Dies hat seine Vor- und seine Nachteile. Man kann
einige Stunden länger Fahrrad fahren und kommt ein paar
Kilometer weiter, aber auf der anderen Seite trifft man
nicht viele Autos auf der Straße und es ist ein langer
monotoner Tag im Sattel. Normalerweise stößt man auf Autos,
LKW oder andere Transportmittel, wenn man radelt. Dies ist
gut für die Psyche, da man aufmerksam bleibt. In Sibirien
dagegen kann man stunden- und tagelang fahren, ohne jemandem
zu begegnen. Die dortigen Wälder sind riesig und man findet
nur etwa alle drei Tage ein Dorf. Die Straßen sind in
Sibirien gewöhnlich nicht aus Asphalt, es sind vielmehr
Schotterpisten mit schlammigen Pfützen, wenn es regnet, und
wenn es trocken ist, wird Staub aufgeweht und es ist
fürchterlich durchzufahren. Wenn man die Millionen Moskitos
und Fliegen hinzurechnet, die Wölfe und Bären und in manchen
östlichen Teilen sogar den Sibirische Tiger, dann ist das
eine sehr beunruhigende Fahrt. In meinem Fall ging die
größte Gefahr von den wilden Bären aus. Viele leben da
draußen, laufen frei herum und greifen Menschen aus
verschiedenen Gründen an. Sie bekommen leicht Angst,
verteidigen ihren Jungen oder greifen einfach an und töten
wegen des Hungers. Dies musste ich berücksichtigen und am
schlimmsten war es, wenn ich mit zum Campen niederließ. Wann
auch immer ich anhielt und in den Wald ging, um mein Zelt
aufzustellen, die Menge an Insekten nahm explosionsartig zu.
Der Schwarm von Mücken, Moskitos und anderen Fliegen war
dann immer wesentlich größer, als wenn ich auf der Straße
war. Ich musste immer vollständig schützende wasserdichte
Kleidung tragen, mein Moskitonetz so schnell wie möglich
schließen, Handschuhe benutzen und – am wichtigsten – mich
komplett in meinem Zelt versiegeln und isolieren. Es war
immer eine Schlacht das Zelt so schnell wie möglich
aufzubauen, da die Temperatur innerhalb meiner Schutzmontur
rapide anstieg. Ich benutzte Handschuhe im sibirischen
Sommer, die ich eigentlich für kältere Länder gekauft hatte.
Einmal habe ich mein Zelt ohne jede Schutzkleidung aufgebaut
und ich brauchte nur ungefähr zwei Minuten im sibirischen
Wald – es war einfach unmöglich, ich wäre fast lebend
gefressen worden!
Wenn ich es also vielleicht geschafft hatte, mein Zelt
aufzubauen, musste ich so viel Lärm wie möglich machen, um
die Bären zu verscheuchen und dann schnell in mein Zelt
springen. Drinnen verbrachte ich die nächsten x Minuten
damit, jeden Moskito zu jagen, dem es gelungen war,
hineinzuschlüpfen – derer waren es normalerweise Dutzende –
und erst danach konnte ich mich ausziehen und schlafen gehen.
Beim Abbauen des Zeltes musste ich die gleiche Prozedur nur
umgekehrt wiederholen, dann schnell auf mein Fahrrad
springen und auf meinen „Freund“, die Straße, zusteuern.
Gott sei Dank passierte mir dies nur in Sibirien. Jetzt
verstehe ich vollkommen, warum Bären in Sibirien so schlecht
gelaunt sind. Sie müssen sich jeden Tag mit den stechenden
Fliegen und Moskitos rumschlagen! Außerdem müssen sie durch
die Wälder ziehen und Nahrung suchen, ständig unter dem
Angriff der Fliegen, und werden zu allem Überfluss von
Sportjägern gejagt. Ich glaube jeder wäre nach einem solchen
Tag aggressiv :o)
Nachdem ich nun die Situation, die ich ihn Sibirien vorfand,
erklärt habe, kann ich nun erzählen, was mir dort noch
passiert ist. Nach einigen Stunden auf endlosen „Straßen“
durch den Wald, ohne, dass eine lebende Kreatur meinen Weg
gekreuzt hätte, begann ich unaufmerksam zu werden. Selbst
die Vögel hatten aufgehört zu singen und es begann ziemlich
dunkel zu werden. Ich war noch am Fahren, da ich nicht an
einem anständigen Platz vorbeikam, wo ich hätte campen
können. Rechts und links von mir waren Sümpfe und
Feuchtgebiete und daher fuhr ich einfach weiter. Um meine
Laune anzuheben, aber eigentlich nur wegen der Bären, habe
ich eben angefangen zu rufen, zu schreien und zu singen. Ich
begann verschiedene Gedichte, Sprichwörter und Lieder zu
rufen und zu singen, aber hauptsächlich machte ich einfach
unverständliche laute Geräusche. Plötzlich, als ich um eine
Kurve herumfuhr, begegnete ich einem kaputten russischen LKW
und zwei davorstehenden Russen. Beide sahen mich an, als ich
auf sie zufuhr, und sie schauten, als ob ich irgendein Idiot
oder Einfaltspinsel wäre, der durch den Wald brüllt. Sie
mussten sich gefragt haben, was für ein Verrückter alleine
durch Sibirien radelt und sich die Lunge rausschreit? In dem
Moment, als ich sie sah, hörte ich augenblicklich auf zu
singen und der Ausdruck auf ihren Gesichtern war unbezahlbar
und steigerte meine Laune auf 100%. Ich fuhr zu ihnen, und
da ich ein paar russische Phrasen, Sätze und Wörter kannte,
erklärte ich, warum ich mich so zum Idioten machte und was
ich hier draußen überhaupt tat. Sie verstanden vollkommen
und wir begannen alle zu lachen. Sie gaben zu, dass, sobald
sie im LKW sitzen, keine Geräusche zu machen brauchten, um
Bären zu verjagen, während ich es tun musste, weil mein
Fahrrad keinerlei Geräusche sich gibt. Wir waren uns einig,
dass es absolut angemessen ist, im Wald zu schreien und zu
brüllen. Das Gute dieser Begegnung war, dass mir der Mann
eine detailliertere Karte zeigte, als die, die ich in
Wolgograd gekauft hatte (ich hatte einen allgemeinen Atlas
von Russland gekauft). Sie zeigten mir, dass weniger als 15
Kilometer entfernt ein kleines Dorf war, wo es möglich war,
ohne Insekten und Bären zu schlafen. Das war eine der besten
Nächte zum Schlafen, die ich je in Russland gehabt habe.
Dies waren die letzten Leute dieses Artikels, und wenn du
weiter in das detaillierte Buch über meine Tour interessiert
bist, wirst du es entweder bald auf dieser Website lesen
können oder du wirst es hoffentlich irgendwann in einer
Buchhandlung finden können. Das Buch ist ein Projekt, an dem
ich arbeite, und ich werde dazu, wie gesagt, einen Verleger
oder eine andere Finanzierung brauchen, um es zu realisieren
und meine Reise ordnungsgemäß zu protokollieren. Ich werde
dich auf dem Laufenden halten. Vielleicht wird es als eBook
auf dem Kindle, dem iPad oder anderen elektronischen
Lesegeräten erscheinen. Mal sehen, welche Möglichkeiten es
gibt und wie die Resonanz zu dieser Website sein wird.
Vielen Dank dafür, dass du diesen Artikel gelesen hast, und
für dein Interesse und ich hoffe du hast noch einen
unterhaltsamen und abenteuerlichen Tag und ein
unterhaltsames und abenteuerliches weiteres Leben …
HÖHEPUNKT: Der Höhepunkt meiner Tour war dieses in China
gemachte Foto, wo es mir möglich war, meine eigenen Blätter
von grünem Tee zu pflücken. Die eigentliche Idee hinter der
Tour war es, es mir zu ermöglichen, selbst grünen Tee zu
ernten und ihn in der Zukunft bei speziellen Gelegenheiten
zu genießen. Ich pflückte den besten Tee, den ich in dieser
chinesischen Region finden konnte. Nur die allerbesten und
frischesten jungen Blätter wurden gepflückt und ich habe sie
nur teilweise destilliert, um dem Tee einen köstlichen und
unverwechselbaren Geschmack zu geben … Die erste Gelegenheit,
die ich hatte, meine Teeblätter zu probieren, war vor meinem
Haus, als ich schließlich nach Hause zurückkehrte. Ich kam
lebend an, gesund und mit vielen wunderbaren Erfahrungen,
die ich für den Rest meines Lebens haben werde und ich
verspreche, sie bald mit dir zu teilen. |
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